OTTO MÜHL

RETROSPEKTIVE

16. Juni – 18. September 2005

Die Otto-Mühl-Retrospektive des MAK Wien wird vom 16.6. - 30.9.2005 in der Sammlung Falckenberg / Phoenix Kulturstiftung gezeigt. Die Vernissage am 16. Juni fällt auf den 80. Geburtstag des Künstlers, der anwesend sein wird. Im Zentrum der Ausstellung stehen 18 Aktionsfilme, die auf großformatigen Leinwänden in der Mitte der Räume wie in einem Kino gezeigt werden. Die bislang in diesem Umfang nicht öffentlich gezeigten Filme versetzen den Zuschauer zurück in diese wichtige Zeit des künstlerischen Aufbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg. An den Wänden, gleichsam als Kulisse, werden die Aktionsfotos, Malereien und Zeichnungen Otto Mühls gezeigt.

Otto Mühl gilt als einer der maßgeblichen Protagonisten der Anfang der 60er Jahre entstandenen Gruppe des Wiener Aktionismus, zu der auch Günter Brus, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler und in den letzten anderthalb Jahren, 1967/1968, auch Peter Weibel und Oswald Wiener gehörten. Die Aktionisten hatten sich - schon einige Jahre vor entsprechenden Initiativen von Josef Beuys - zum Ziel gesetzt, Kunst und Leben zu vereinigen. Sie vollzogen den Ausstieg aus dem Bild und konzentrierten ihre künstlerische Tätigkeit auf Aktionen, die provokant mit einer bis dahin nicht bekannter Aggression vorgetragen wurden. Als Kunstrichtung hatte der Wiener Aktionismus starken Einfluss auf die Performance und Body Art und Künstler wie Chris Burdon, Vito Acconci, Marina Abramovic und später Paul McCarthy und Mike Kelley.

In der Ausstellung geht es nicht um die Darstellung des Lebenswerkes von Otto Mühl, sondern im Sinne einer Retrospektive um die Herausarbeitung der aus heutiger Sicht wesentlichen Werksphasen.

Die Arbeiten aus der Zeit der Kommune (1970-1991) bleiben - von Ausnahmen abgesehen - unberücksichtigt, da diese Kunst, wie Otto Mühl selber betont hat, in erster Linie pädagogischen und nicht künstlerischen Zielen diente. Die Ausstellung des MAK Wien, aber auch die spätere Rezeption in der Presse, war durch Auseinandersetzungen um die Rolle Otto Mühls in der Kommune geprägt. Das Prinzip der freien Sexualität musste in einer Gruppe, die bis zu 600 Mitglieder hatte, zu unüberbrückbaren und nicht lösbaren Problemen im Verhältnis zu den Heranwachsenden führen. Der schließlich getroffene Beschluss, Jugendliche ab 14 Jahren in das Programm freier Sexualität einzubeziehen, führte zur Anklage Otto Mühls. Er wurde 1991 wegen Unzucht mit Abhängigen und Vergewaltigung in einem Fall zu einer 7-jährigen Haftstrafe verurteilt, von der er 6,5 Jahre verbüßen mußte.

Die Kuratoren der Hamburger Ausstellung vertreten den Standpunkt, dass die vielschichtigen Probleme der Kommune nicht in einer Kunstausstellung behandelt werden können. Mit einer Protest-Gruppe um den ehemaligen Kommunarden Hans Schroeder-Rozelle, die mit umfänglichen Pressemitteilungen und „neuen" Vorwürfen gegen die Ausstellung des MAK zu Felde gezogen war, ist im Vorfeld Kontakt aufgenommen worden. Ihr ist angeboten worden, ein Wochenendseminar zum Thema Kommune/Sekte zu veranstalten, auf dem die Beteiligten und Fachleute ihre Beiträge unter den verschiedenen juristischen, soziologischen und moralischen Gesichtspunkten vortragen und zur Diskussion stellen. Das Angebot steht heute noch. Die Gruppe um Herrn Schroeder-Rozelle hat allerdings bekundet, dass sie gegen eine Ausstellung der Kunst Mühls, wie in Hamburg geplant, keine Einwände hätte. Sie hätten ihren Protest in Wien gegen die Huldigung eines Lebenswerks Otto Mühl erhoben.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der Wiener Aktionismus. Den Aktionsfilmen ist gegenüber den sonst üblichen Dokumentationsfotos der Vorrang eingeräumt worden, da nur aus ihnen der konzeptuelle Ansatz und die prozesshafte Gestaltung der Aktionen deutlich wird. Gezeigt werden weiter Arbeiten, die Mühl in seiner Gefängniszeit (1991-1998) und danach in seiner jetzt auf 24 Mitglieder beschränkten Kommune in Faro/Portugal angefertigt hat. Die Arbeiten weisen Otto Mühl als Könner der Karikatur aus. Im Bereich der Groteske sind auch seine Haifisch-Bilder und Electric-painting-Filme angesiedelt, die Fotografiertes und Gefilmtes mit farbigen, computeranimierten Bildern zu Collagen vereinigen.

Neben der Retrospektive wird eine Präsentation von Künstlern aus der Sammlung Falckenberg gezeigt, die deutlich vom Wiener Aktionismus beeinflusst worden sind. Es werden Arbeiten von Vito Acconci, John Bock, Mike Kelley, Martin Kippenberger, Peter Land, Paul McCarthy, Jonathan Meese, Bjarne Melgaard und Albert Oehlen zu sehen sein.

Zur Retrospektive Mühl erscheint ein Buch mit Beiträgen von Gabor Altorjay, Werner Büttner, Sophie Delpeux, Harald Falckenberg, Christian Höller, Sarah Khan, Jean-Jacques Lebel, Günther Schulte, Peter Sloterdijk, Noemi Smolik, Cornelia Sollfrank.